Ingo Froböse - Über Sport, Eltern, Disziplin und Integration

Shownotes

In der siebten Folge des Podcasts „Wie Gehen Wir Eigentlich Miteinander Um?“ spricht Birte Karalus mit Professor Dr. Ingo Froböse, renommierten Experten für Sportwissenschaft und Autor.

Wie unterscheiden wir Leistung und Disziplin? Ingo Froböse betont die Bedeutung von Sport und Bewegung für persönliches und gesellschaftliches Wohlbefinden. Er unterstreicht, dass Sport nicht nur eine Frage der Leistung ist, sondern auch ein wesentlicher Bestandteil in allen Lebensphasen - von der Kindheit bis ins hohe Alter.

Froböse diskutiert mit Birte Karalus die Bedeutung von Sport für die Persönlichkeitsentwicklung, die Herausforderungen in der heutigen Sportkultur und die dringende Notwendigkeit, Sport wieder als integrativen Bestandteil unserer Kultur zu etablieren. Er beleuchtet die Wichtigkeit von Fehlerakzeptanz, Resilienz und dem Erhalt des Spaßes am Sport.

Welche Rolle spielen Eltern bei sportlichen Entscheidungen ihrer Kinder? Wie viel Förderung ist eigenlich hilfreich?

Diese Episode bietet tiefe Einblicke in die Bedeutung des Sports für unsere Gesellschaft und zeigt auf, wie ein gesunder Umgang mit Sport und Leistung zu einem glücklicheren, gesünderen und erfüllteren Leben führen kann.

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Birte: Herr Froböse, ich freue mich, und ich freue mich wirklich. Wir kennen uns, glaube ich, mein gesamtes berufliches Leben, kann das sein? Ja schon, seitdem ich Fernsehen mache, sind Sie auch in meinem Leben. #00:00:08-7#

Ingo Froböse: Ja, ich glaube ja auch, das heißt, wir haben ja parallele Fernseh-Karrieren. Das finde ich total klasse, dass wir uns nie aus den Augen verloren haben. #00:00:14-3#

Birte: Das finde ich auch schön, und das ist auch immer wieder menschlich. Das glauben die meisten ja immer nicht, dass man sich immer nur irgendwie via Fernsehen kennt, aber dass man trotzdem auch sich als Menschen ganz gut begegnen kann, was ich ja nie ganz besonders mag, und ich glaube, das ist unsere große Verbindung. Wir lieben Sport, wir lieben Bewegung, und ich gucke heute immer noch, ich mache jetzt mal Werbung für eine andere Sendung, das Morgenmagazin, ich freue mich immer, wenn Sie da sind und die Dinge so einfach erklären. Was mir bei der Vorbereitung aufgefallen ist, ich habe mich ein bisschen eingelesen, dass ihre Herzensangelegenheit ist, glaube ich, so, die Menschen dazu zu bringen, zu verstehen, dass Sport etwas mit dem eigenen Wohlbefinden zu tun hat, und bevor wir gleich einsteigen, was der Sport machen kann, in den Miteinander. Lassen Sie doch uns mal ein bisschen drüber reden, was der Sport eigentlich mit einem selbst machen kann. Wenn ich sage, wie gehen wir miteinander um, müssen wir auch mal schauen, wie gehe ich mit mir um. Das ist ihre Bühne! #00:01:02-9#

Ingo Froböse: Ja, also genau das sagen Sie auch richtig. Das heißt also, wir geben ja Achtsamkeitskurse, wir machen Selbstführungsseminare, aber vergessen letztendlich, dass körperliche Aktivität ein Lebensmittel für uns ist. Und das Lebensmittel bedeutet, dass, und da gibt's ganz uralte Sprüche, die man natürlich so bisschen flappsig immer wieder artikuliert, aber sie sind wichtig: Nur was genutzt wird, entwickelt sich. Was ungenutzt wird, das verkümmert. Und das gilt eben für viele biologische Strukturen. Und letztendlich ist Bewegung für Kinder ein Wachstumsmotor. Kinder brauchen es, damit Wachstum, Entwicklung überhaupt stattfindet. Wir brauchen es während des Studiums, während der beruflichen Karriere, um Ausgleich zu finden, um uns zu entspannen. Auch da hilft Sport. Wir brauchen es aber letztendlich auch, um erste Alterungsprozesse zu minimieren, um so ein bisschen die Veränderung auch zu kompensieren. Und wenn wir dann in der zweiten Lebenshälfte sind, dann geht es darum, Lebensqualität zu erhalten, und ganz spät geht es eben darum, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Und all das bietet Sport, wenn wir es denn richtig machen. Deswegen ist Sport deutlich mehr als das, was wir so im Fernsehen unter dem Aspekt der Maximalleistung sehen. Nee, es ist letztendlich ein Lebenselixier und damit ein Lebensmittel. #00:02:09-8#

Birte: Also, das glaube ich auch. Sie haben mit den Kindern angefangen, und, wie gesagt, Sport hat wirklich mein Leben geprägt. Meine Mutter hat mich, glaube ich, als Drei- oder Vierjährige, ich habe das hier schön gerade erzählt, in so einen Bewegungskurs geschickt, also wo man tanzen sollte, was ich ganz gruselig fand. Ich brauchte meinen langen Weg dann über Tanzen und Kunstturnen endlich zur Leichtathletik, wo man, wo ich mich dann gefunden habe. Aber das war schön, sich selbst auszuprobieren, als Kind, mit anderen zusammenzusein, jetzt dann auch die Feiertage miteinander zu verbringen, all das kann eben Sport auch. Ich habe mal ein bisschen recherchiert, wenn die Zahlen überhaupt noch stimmt. Wir haben zurzeit in Deutschland einundneunzigtausend Vereine, 28 Millionen Mitglieder, und viele davon sind im Ehrenamt. Also ich glaube, man kann wirklich sehen, dass Sport auch die Gesellschaft prägt, dass man hier auch viel lernen kann. #00:02:56-3#

Ingo Froböse: Ja, und das, schön, dass Sie das sagen, letztendlich ist es eine Kultur, die wir haben und auch pflegen und hegen müssen. Wir sind einzigartig in der Vereinslandschaft in der ganzen Welt. Das gibt es so nicht. Das ist wirklich ganz wichtig, weil in anderen Ländern ist, angloamerikanischen Ländern, ist beispielsweise der Sport immer an Universitäten, an Colleges geprägt und sehr viel Freizeitsportaktivitäten. Aber wir haben eine Struktur, eine Struktur, die in jede kleine Gemeinde hineinreicht. Genau wie der Feuerwehrverein oder der Schützenverein ist der Sportverein dort zu finden, und der ist eben doch dann letztendlich auch der Mittelpunkt häufig eines Ortes, einer Kommune, einer Gemeinde und den Städten sowieso. Daran sieht man schon, ja, Sport verbindet Menschen, sorgt für soziale Gefüge, bietet also auch eine Heimat für viele, und das ist insbesondere ja für Kinder auch schon ganz schön, indem sie eine Orientierung haben und damit auch eine Sicherheit erfahren in der aktuell sehr unsicheren Zeit. Der Verein, der findet immer noch statt. #00:03:53-4#

Birte: Das finde ich auch, wenn man mal überlegt, welche Institutionen jetzt in letzter Zeit so weggebrochen sind, die man so als Haltepunkte auch hatte, oder Orientierungshilfe. Der Sport oder der Verein ist wirklich immer noch geblieben, und das ist auch eine schöne Geschichte, auch gerade weil man, finde ich, so ausprobieren kann, so viele Dinge auch lernen kann. Wollen wir da mal hinschauen, wenn ich sage, Sport ist auch ein Spiegelbild der Gesellschaft, wenn man wirklich als Kind die Chance hat, auch in so einem Verein groß zu werden oder Sport zu machen, was lernt man denn tatsächlich? Man hat zum einen, wenn wir es mal grob umreißen, wir haben den Einzelsport und wir haben den Mannschaftssport. Was würden sie denn Kindern empfehlen? #00:04:27-6#

Ingo Froböse: Beides. Ich glaube, dass beides Persönlichkeit schult. Wenn ich alleine unterwegs bin, habe ich alleine für mich die Verantwortung. Und ich erlebe Sieg und Niederlage, beispielsweise, Aufstehen und Hinfallen, wieder Zurückkommen, Niederlagen zu akzeptieren, im Individualsport natürlich deutlich intensiver, weil ich bin's, der auf die Nase gefallen ist, und ich muss die eigene Resilienz dann wirklich auch erarbeiten, für mich, dann wieder zurückzukommen, und das ist, glaube ich, sehr, sehr schön, so etwas zu erfahren und dort auch zu erkennen, es läuft nicht alles gerade. Es stehen nicht immer Eltern hinter mir, die mich schieben, die mich anschieben, die mich stützen, die mir den Weg bereiten. Nein, wenn ich im Hundertmeterlauf stehe und der Schuss fällt, bin ich zehn, 15 Sekunden alleine verantwortlich dafür, dass ich dort erbringe und leiste, und insbesondere habe ich dort auch immer das Messen von anderen, und ich muss einfach erkennen, dass es immer bessere gibt, schnellere Menschen gibt. Und wenn ich das akzeptiere, dann habe ich schon ganz viel fürs Leben gelernt. In Mannschaftssportarten darüber hinaus lerne ich natürlich, die ganzen vielen anderen sozialen Elemente wie Teambuilding, wie Teamfähigkeit, wie Einordnung, wie Respekt, wie Toleranz wie auch insgesamt zu erkennen. Ja, dass ich nur als Team auch wirklich erfolgreich sein kann und niemals als Individuum, und insofern erfahre ich, dass Hilfe, Unterstützung mir Sicherheit gibt. Auch von dem anderen kann ich mich darauf verlassen. Ich habe also letztendlich, wenn ich gemeinsam spiele, immer einen an meiner Seite. Also, ich bin niemals alleine, und insofern erkennt man, das Sport eben ein bunter Blumenstrauß ist für die Persönlichkeitsentwicklung, weil es einfach so unheimlich viele Möglichkeiten bietet, mich selber doch auszuprobieren und dementsprechend auch zu messen, in Anführungsstrichen und zu verändern und zu lernen. #00:06:09-1#

Birte: Dass es so auf den Punkt gesagt, Sie haben so viele Werte gerade genannt. Ich würde ein paar versuchen, mal aufzugreifen, weil ich die so symbolisch für uns finde, weil sich da auch etwas verändert. Also nehmen wir mal den Leistungsansatz. Ich finde das toll. Also, ich finde es für mich toll, mal zu sehen, wie verändert sich etwas, wenn ich vom Sofa aufstehe, worauf ich auch gerne sitze, noch gerne Sport schaue. Aber den Leistungswillen hinein. Das wird ja gerade viel diskutiert, auch in der Gesellschaft, dass man sagt: Ach, alles soll eher bequem sein und eher komfortabel, und bitte nicht so sehr anstrengend. Beim Sport geht das nicht, also, dann bewegt man sich irgendwie. Aber die Leistung ist doch eine andere Geschichte. Jetzt hatten wir diese große Diskussion um die Bundesjugendspiele, die ich über alles geliebt habe. Ich fand das großartig, mit meinem Freund, mit meinen Klassenkameraden mich zu messen und zu gucken, wer ist in welchem Bereich besser. Da war kein Neid, da war auch, wenn man nicht Erster wurde, nicht der Weltuntergang, sondern es war ein schönes Miteinander, in die Leistung zu gehen. Was glauben Sie denn, warum sich das gerade so verändert? #00:07:06-2#

Ingo Froböse: Ja, ich verstehe überhaupt nicht, warum das den Sport trifft. Warum trifft es nicht die Mathematik? Warum trifft es nicht den, den Sprachunterricht? Warum denn Sport? Und das kapiere ich sowieso gar nicht. Wir haben doch, das erkennen wir doch auch, und nicht umsonst haben wir ja auch die PISA-Studie, wo auch gemessen wird, wie ist eigentlich die Leistungsfähigkeit der Grundschülerin, beispielsweise, auch da wird ja verglichen, und warum es den Sport trifft kapiere ich überhaupt nicht. Das heißt also, wir haben den Sport natürlich immer so ein bisschen zum Nebenfach degradiert, und ich habe immer so den Eindruck, als wenn Nebenfächer dann eben keine große Bedeutung haben. Da kann man die Leistung ruhig ein wenig rausnehmen, wir brauchen Leistungen. Sie haben es ja selber gesagt, Sie haben es geliebt, und ich liebe es auch, und die Gesellschaft braucht das auch. Wir brauchen ja Vergleichsmöglichkeiten. Wie kann es denn sein, dass wir aktuell alle Abiturnoten haben, von Eins plus und noch mehr? Wie kann es denn sein, dass meine Studierenden von mir erwarten, dass, wenn sie eine Bachelorarbeit abgeben, dass es immer eine Note ist, die besser als zwei ist? Das erwartet man, drei ist schon absolut der Supergau für die meisten Menschen. Wie kann es denn sein, das, wie Sie sagen, die Bundesjugendspiele, aktuell diskutiert werden, was die Benotung betrifft? Ehrenurkunde gibt es nicht mehr, alle bekommen eine Teilnehmerurkunde im weitesten Sinne, also es sind alle gleich. Man wirft ins Zonen hinein, also man misst gar nicht mehr die richtige Weite, und so geht die Vergleichbarkeit komplett verloren. Alle sind irgendwie beige. Aber es gibt nicht mehr schwarz oder weiß, und ich glaube, wir brauchen schwarz oder weiß, weil wir auch dadurch erkennen, wie einleitend schon mal gesagt, dass ich auch etwas dafür tun kann, um besser zu werden. Und nicht in diesem in diesem Sumpf sowieso von ja fast vergleichbarer Leistungsfähigkeit irgendwie mitschwimmen, ohne dass ich wirklich, da wirklich auch das Recht habe, dort drin zu sein, in diesem Pool der guten Leistung. Denn irgendwann wird es sowieso passieren. Und deswegen ist an sich für mich die Frage, warum trifft es den Sport? Und ich glaube, dass der Sport ein ungeliebtes Kind ist für die meisten Menschen. Wir haben halt eben auch in der Politik eben auch keine Vorbilder, die sehr nahe dem Sport stehen. Wir haben eben in vielen Entscheidungsgremien eben auch niemanden, der wirklich dem Sport sehr nahesteht. Das erlebe ich immer wieder, und der wirklich die Fahne dahochhält. Und leider schafft es der olympische Sportbund mit seinen 28 Millionen Mitgliedern auch nicht, dafür zu kämpfen. Weil, auch hier geht es immer nur um den Spitzensport, und man vergisst die große Bedeutung des breiten Sports, der nämlich auch eben prägend ist. Und insbesondere vergisst man den Sport in der Bildung, denn dafür brauchen wir eben auch genauso eine Einordnung wie alle anderen Fächern für den Sport, und da bin ich eben über die Nebenfachdiskussion absolut enttäuscht. Also, wenn Sie mich fragen, wir brauchen den Begriff der Leistung, und ich erlebe beispielsweise gerade auch seit vielen Jahren gerade im Sport auch eine Entwicklung, dass wir Sportarten mittlerweile flächendeckend mehr aufkommen lassen, die eben Leistung nicht so mehr in den Mittelpunkt stellen. Ich möchte nichts gegen Yoga sagen, aber warum rennen da alle hin? Ja, warum laufen die alle dahin? Weil es eben dort ja doch eine sehr angenehme Art und Weise der Auseinandersetzung ist mit dem eigenen Körper zwar, aber keine Leistungsmessung dort stattfindet, im Augenblick Hype auf Tiktok etwas. Cosy Cardio heißt das. Cosy Cardio heißt, ja, wenn man schon Cardiotraining betreibt, dann muss das gar nicht so intensiv sein. Da kann man bei essen, da kann man bei trinken, da kann man bei lesen, und das ist ein wahnsinniger Hype, der dort gerade stattfindet. Cosy heißt ja, angenehmes Cardiotraining. Also, man reduziert, man geht immer weiter runter und runter, weil man sagt, ja, Anstrengung muss ja nicht sein, und dementsprechend verlieren wir so ein bisschen den Leistungsgedanken gerade aus dem Sport, und das ist tragisch, weil hier könnte ich endlich mal lernen, ohne dass große Konsequenzen daraus resultieren. #00:10:49-4#

Birte: Also, ich bin jetzt grad verwundert. Ich kannte das nicht. Was glauben Sie denn, Was bedingt das eine? Bedingt der Sport die Gesellschaft oder die Gesellschaft den Sport? Bezüglich gerade der Leistung? #00:10:59-5#

Ingo Froböse: Ja, ich glaube, die Gesellschaft trägt den Sport gerade sehr stark. Der Sport orientiert sich natürlich gerade auch, weil er immer den Bedarf hat, neue Mitglieder zu akquirieren, auch zu bekommen, sehr stark natürlich an den Bedürfnissen der Gesellschaft, und da ist die Leistung eben bei weiten nicht mehr so gewünscht. Das erleben wir, das ja alle Organisationen, nehmen wir mal, wir haben gerade von Leichtathletik gesprochen, wo ja gemessen wird, wo gemessen werden muss, hat einen deutlichen Mitgliederschwund. Thema Yoga, deutlichen Mitgliedergewinnen. Das heißt also, bei allen nicht messbaren Aktivitäten erleben wir positive Effekte, bei allen messbaren haben wir eher deutliche Rückschritte in der Mitgliederzahl. #00:11:36-9#

Birte: Also ziehe ich mal einen Strich und sage, die Menschen mögen nicht mehr so gerne in den Wettbewerb gehen, sie wollen sich nicht messen und wollen nicht zeigen. Lassen wir das mal so stehen, das erscheint so. Zum Leistungsprinzip heißt, kommt bei mir auch die Disziplin dazu, ich liebe das D in meinem Leben, da fragen immer Leute, warum? Wieso? Aber ich finde es immer ganz großartig, wie mein Leben sich verändert, wenn ich diszipliniert sein kann. Das ist im Sport etwas ganz Besonderes, aber das kann in allen anderen Bereichen auch sein. Nur im Sport kann ich es lernen. Weil, bin ich diszipliniert, kann ich sehen, was sich in meinem Leben verändert. Für mich so ein Vorbild Tiger Woods in der Hinsicht. Jemand, der hervorragend Golf spielt und trotzdem jeden einzelnen Tag auf den Platz geht und 1000 Abschläge macht, der kann Abschläge definitiv und trotzdem macht er es, also, das ist, diese Rituale finde ich einfach auch großartig. #00:12:24-9#

Ingo Froböse: Also, wenn Sie das Wort Disziplin ansprechen, dann ist der Sport natürlich da wirklich sehr prägend. Ich lerne, mich zielorientiert auf etwas hin zu arbeiten. So kann man es ja wirklich sagen. Es ist ja Arbeit im weitesten Sinne, und es ist ja nichts anderes. Wir brauchen ja auch Disziplin, das ganze Leben lang in irgendeiner Form. Wir haben ja eine Zielorientierung, und da haben wir Leitplanken, und in diesen bewegen wir uns, und das fordert Disziplin. Und gerade wenn ich also Leistung verbessern möchte, wenn ich etwas erreichen möchte, heißt das, ich muss konsequenter daran arbeiten. Und wenn wir das als Disziplin beschreiben, da bin ich auch ein großer, großer Freund, und ohne Disziplin wird man im Sport sowieso kein Großer oder keine Große, weil letztendlich doch wir uns eben mit anderen messen. Und wenn ich disziplinierter bin, habe ich schon mal Vorteile, und wir kennen das zum Beispiel aus dem Ausdauerbereich, und wir haben ja große Aktivitäten, gerade auch in den letzten Jahren erlebt im Bereich des Triathlon. Da geht es nur über Disziplin, da geht gar nichts anderes, und da sollten wir Deutschen an sich, das wissen wir ja immer, hat man uns ja selbst im Fußball früher gesagt, wir disziplinierten, und deswegen sind wir auch die erfolgreichen, haben wir auch im Fußball verlernt, wie wir gerade erleben. #00:13:28-1#

Birte: Ja, das sind so Begriffe, wenn man die heute nennt, und ich kann mir schon vorstellen, wenn da ein der andere zuhört und sagt: Oh Gott, wobei reden die, Leistungsprinzip? Disziplin? Ich glaube, in meinem Leben, und ich lebe ja auch nicht erst seit gestern, ist Disziplin immer ein Teil gewesen auf dem Weg zum glücklich sein. Es macht das leichter, diszipliniert zu sein, um ein Ziel zu erreichen, was ich mir selbst stecke und was für mich wichtig ist. Also, man sollte das nicht vergessen, dass das auch Prinzipien sind, die einen selbst nach vorne bringen und die einen immer wieder ins Handeln bringen können. #00:13:56-8#

Ingo Froböse: Schauen Sie mal, wenn ich die ganzen Bücher auch so lese, die in den Bücherregalen stehen. Da geht es ja immer um Aufräumen des Lebens, um Strukturen des Lebens, um Ballaststoff abzuwerfen, um Fokussierung letztendlich. Das ist ja nichts anderes, als sich in einem gewissen Korridor zu bewegen und die Ablenkungen Ablenkung sein lassen und eben dann doch sein Ziel dabei nicht aus den Augen verlieren. Und Disziplin halte ich deswegen auch für kein Unwort, sondern ganz im Gegenteil, es ist letztendlich die Konzentration auf das Wesentliche, was ich erreichen möchte, und das sollte immer im Mittelpunkt stehen. #00:14:29-3#

Birte: Vor allem dann, wenn mir etwas wichtig ist, wenn ich mich wirklich entschieden habe, was zu erreichen, dann tue ich auch was dafür. #00:14:34-9#

Ingo Froböse: Ja, ich hoffe, ich habe ein paar wichtige Dinge im Leben, die man erreichen möchte, und klar, wir reden ja vielleicht jetzt auch über die Jugend, wobei wir ältere Menschen sind. Da kann man immer sagen, die Silberlocken, die können das schön sagen. Aber vom Grundprinzip her ist das in der Tat so, dass die Volatilität zum Beispiel des Arbeitsmarktes, die Unsicherheit in den Arbeitsmarkt und auch im Bildungsmarkt die macht die Menschen ja auch so kirre. Wenn wir hier eine klarere Fokussierung hätten auf ein gemeinsames Ziel oder auf ein ausgerichtetes Ziel, dann würden wir uns viel wohler auch fühlen, weil die Unsicherheit dann verschwinden würde. #00:15:06-9#

Birte: Sehr schöner Übergang dazu, ganz genau. Also, das meinte ich eben. Was kann man im Sport lernen und kann es dann wirklich in den Alltag oder auch gerade in den beruflichen Alltag übernehmen? Schauen wir doch mal, was man auch noch lernen kann. Für mich ist das: Umgang mit Fehlern und auch Umgang mit Niederlagen. Das ist etwas, was ich im Sport gelernt habe. #00:15:24-4#

Ingo Froböse: Ich hab's ja vorhin auch Resilienz genannt. Das ist ja auch der schöne Begriff, der das sehr schön umschreibt. Man fällt immer auf die Nase, immer, und man muss lernen, dass es immer Bessere gibt. Man hat dann Verletzungen, möglicherweise Rückschläge, Erkrankungen. Das erfährt jeder Sportler hautnah und sehr intensiv. Jeder Sportler hat es erfahren, dass er zum Beispiel nicht nominiert wurde, dass er nicht mitspielen darf, nicht mitlaufen darf. Jeder Sportler hat erfahren, dass es Zeiten des Vorm-Tiefs gibt, aus welchem Grund auch immer, ohne dass man es ergründen kann. Aber es ist einfach da, und insofern, dann in dem Wissen und auch das Vertrauen in sich selber zu haben, und auch das lernt man ja im Sport, Vertrauen in sich selber zu haben, dass man es dennoch schaffen kann, wieder aufzustehen, und dann umso stärker, so sagen die Sportler, ich komme zurück, aber bin dann noch stärker. Das ist das, was nur der Sport bietet, allen Dingen mit einem Lupenglas in sehr kurzer und konzentrierter Zeit, und deswegen sagen ja Sportler nicht umsonst, in meiner sportlichen Karriere habe ich das ganze Leben in Zeitraffer erfahren. Das ist ja in der Tat so, weil es unheimlich schnell geht, so hochzukommen, aber runterzufallen, und deswegen ist der Sport eben wirklich hoch-, hoch-, hoch- für die Gesellschaft, -sensibel dafür, eben die ganzen Merkmale einer Gesellschaft, einer sozialen Gesellschaft einfach abzubilden in einer Zeitraffersituation, in der Lupenfunktion sozusagen. #00:16:45-9#

Birte: Das finde ich ein schönes Bild. Was haben wir jetzt gehabt? Also, Sport hat etwas mit Selbstwertgefühl zu tun, das heißt, ich kann das selbst stärken, weil ich merke, wenn ich etwas tue, für mich kann ich was erreichen. Also das kann ich auch dann in meinen Alltag übernehmen. Es hat etwas mit Zutrauen zu tun, und gerade in der Zeit, wie sie es gesagt haben, wo die Angst und Orientierungslosigkeit immer größer wird, ist es, sich auf sich selbst zu besinnen und sich selbst zu trauen, etwas ganz Besonderes. Wenn die Vorbilder da draußen verloren gehen und Willensstärke, wenn ich verstanden habe, dass ich etwas will, also, das für mich klar ist und ich mich darauf fokussiere, dann kann ich meinen Weg gehen. Dann ist das jetzt kein Kalenderspruch. Das sind wirklich Dinge, die so viele Sportler im Breitensport, aber auch im Leistungssport uns allen schon gezeigt haben. #00:17:26-3#

Ingo Froböse: Wichtig ist, dass ich in der Tat, wie Sie schreiben, das Vertrauen in mich selber habe. Da sage ich zum Beispiel auch vielen älteren Menschen immer. Die sagen, soll ich denn jetzt noch mit Sport und mit Training und mit Fitness anfangen? Sage ich, ja klar sollst du das! Jetzt gerade! Je oller je doller, wie wir in Köln sagen. Je älter du also bist umso mehr, denn wir sind ja alle mit so wunderbaren Schätzen und Ressourcen ausgestattet. Wir haben ja wirklich von der Biologie so viel Schönes mitbekommen, und das Schöne ist, dass wir veränderbar sind. Und eben nicht nur im negativen Sinne, sondern auch im positiven Sinne. Wir können lernen, wir können Veränderungen herbeiführen. Wir müssen es einfach nur selber tun und den Glauben daran haben. Also gib niemals auf! Niemals zu früh die weiße Fahne hissen, sondern begebe dich da ran! Und deswegen ist gerade in meinem Alter, wo ich immer wieder Menschen auch treffe, die sagen, "Nah, du bist so fit, du bist so leistungsfähig, lohnt sich doch für mich gar nicht." Doch! Es muss so sein, dass man sich dann selber am eigenen Schopf zieht aus der Misere, in der man sich gerade im Trägheit gerade so ein bisschen ahlt und suhlt. Da musst du raus! Aber du musst selber den Hintern hoch nehmen. Aber glaube daran, wenn du es dann tust, dann lohnt es sich für dich auch. #00:18:34-2#

Birte: Und man merkt es, es ist ja wirklich, man lernt das ja relativ schnell. Wenn ich dran bleibe, verändert sich etwas. Also damit sind wir wirklich bei diesem Punkt. Wie ist unser Miteinander? Daran merke ich ja. Wenn ich mich verändere, kann ich mein Umfeld verändern. Also, das finde ich eine ganz große Vorbildfunktion im Sport. Gucken wir mal, was momentan nicht ganz so gut läuft. Wir haben immer, wie sie schon gesagt haben, immer weniger Sport in den Schulen, weniger Lehrer, weniger Turnhallen. Kinder wollen vielleicht gar nicht mehr mitmachen, weil sie es gar nicht mehr gelernt haben oder weil sie die Notwendigkeit von den Eltern auch nicht mitbekommen. Vereine, Ehrenämter, wer trainiert noch mit? Das ist alles heute nicht mehr so leicht, was mir so aufgefallen ist, weil wir das gerade in dem kleinen Ort hatten, wo ich wohne, wenn ich mal zum Fußball gehe bei uns im Verein und gerne zugucke, ein Würstchen dabei esse und Eltern sich an der Seitenlinie unmöglich benehmen und noch viel schlimmer, aggressiv in ein Spiel einschreiten. Das ist etwas, wo ich, ich versuche dann mit denen noch teilweise zu reden, wobei das echt eine gefährliche Situation ist, was ich einfach nicht verstehen kann. Was passiert da? #00:19:35-1#

Ingo Froböse: Weißt du was, was wir erlebt haben? Ich beschreibe das mal bei uns an der Sporthochschule. Wir haben ja bei uns einen Eignungstest, und früher - mir wäre das noch peinlich gewesen, wenn Mama und Papa mit mir zur Uni fahren, den Eignungstest auszuführen. Das ist aber heute die Regel. Das heißt, Mama und Papa sind dabei, tragen Kind die Tasche. Und wir haben ein paar Prüfungen, die sind hart. Zum Beispiel muss man am Reck nen Felgaufschwung machen. Zum Beispiel muss man eine Rolle rückwärts durch den flüchtigen Handstand machen. Zum Beispiel muss man beim Schwimmen einen Körper von einer machen. #00:20:13-5#

Birte: Ganz kurz: wenn man Sport studieren möchte. #00:20:16-3#

Ingo Froböse: Wenn man Sport studieren möchte, also das sind schon die, die gut sind, also an sich schon, das ist schon etwas ?. Bei uns fallen allerdings immer 60 Prozent durch, weil wir eben eine hohe Qualitätssicherung bei uns betreiben. Aber was passiert? Die Eltern pöbeln meine Lehrer an, meine Prüfer an. Jetzt haben wir es so, dass wir schon ein rot weißes Absperrband um die Hallen, um die Sportstätten machen müssen, weil eben Eltern randalieren. "Wie geht das? Das war doch besser!" Das heißt also, mir wäre das doch früher peinlich gewesen, sondern bei mir hatte immer der Lehrer, die Lehrerin recht, haben meine Eltern immer gesagt, jetzt, heutzutage sind es immer die Bösen, die Prüfer und Prüferinnen. Da erkennt man schon, wie sich das verändert hat. Eltern schützen ihre Kinder wohl vor allen Belastungssituationen, vor allen Dingen, wollen sie dringend vor Niederlagen beschützen, vor möglicherweise zu erkennen, es geht nicht, und das ist gerade präsent, und stellen Sie sich doch mal vor, da geht son Papa auf die Prüfer los, weil sein Kind keinen flüchtigen Handstand kann. Ja, da muss er halt üben. Das ist alles, mehr muss doch nicht gemacht werden. Und das verliert sich komplett, und das weiß ich von Freunden auch, die im Lehrerberuf unterwegs sind, wo die Eltern wirklich Druck auf die Lehrerin ausüben, wenn Kind bestimmte Qualitäten der Note einfach nicht schafft. Ja, aber ist doch auch normal, dass es nicht möglich ist, dass nicht alle gleich sind und alles schaffen können? #00:21:36-5#

Birte: Wir hatten vor kurzem hier einen Podcast, den Generationenforscher Rüdiger Maas, der dazu gesprochen hat, so sagt, den Kindern, den jungen Menschen, kannst du gar nicht den Vorwurf machen, die Vorbilder sind die Eltern, die wahrscheinlich aus gutem Grund sagen, sie wollen sie beschützen, aber eigentlich das Gegenteil erreichen sie haben, geben ihnen nicht die Möglichkeit, ein Rückgrat zu bilden, Haltung zu beweisen, Niederlagen, Fehler durchzustellen und dadurch stark zu werden und zu sagen, ich kann mit Freude mein Leben leben, und ich brauche nicht immer jemanden, der mich trägt, ich bin immer abhängig von irgendjemandem. #00:22:05-5#

Ingo Froböse: Wissen Sie, was ich erlebe bei uns? Es gibt ja aktuell unheimlich viele Fußballschulen, haben Sie schon mal vermutlich gehört, wo die Kids alle hineingetrieben werden. Und bei uns in Köln, in der Sporthochschule, gibt's auch eine, und dort wird sonntags immer Nachhilfeunterricht für Fußball gegeben. Das heißt, da steht Papa mit dem Söhnchen dann dort auf der Jahnwiese, und dann wird Individualtraining teuer bezahlt, damit auch im Nachhilfebereich Fußball mittlerweile eine Leistung erbracht werden sollte. Also, um so ein bisschen in die Community hineinzu-. Auf der anderen Seite wird es also mittlerweile schon pervertiert, was auch auf die Kinder aufgeladen wird, ja? Im Bereich des Sports. Und daran erkennt manchmal, das ist eher Drilling, häufig auch. Das heißt, der Spaß, den der Sport ja auch so ein bisschen bietet, der bleibt auf der Strecke indem sehr viel Funktionalität, und deswegen sind wir wieder bei ihren Eltern am Rande der Fußballfläche. Das ist doch skandalös, was sie dort wirklich den Kindern aufladen. Die tun den Kindern gar nichts Gutes, sondern bauen Druck auf. Und da wird es mir immer klarer, warum Kinder irgendwann die Lust am Sport verlieren und dort auch verschwinden, weil Eltern eben die großen Fehler machen, weil Kind eben doch durch die Eltern geprägt, in eine bestimmte Spur gebracht werden soll, und das ist doch völlig falsch! #00:23:21-0#

Birte: Das ist das. Was raten wir denn den Eltern? Wenn ihr eure Kinder glücklich machen wollt, lasst sie los, lasst die ihre eigenen Erfahrungen machen! #00:23:28-7#

Ingo Froböse: Lass sie los, und wenn sie an einer bestimmten Sportart keine Lust haben, nehmen wir das Beispiel Fußball, wo ja alle Söhne hingetrieben werden, mittlerweile auch die Mädels vom Papa, und der hat keinen Bock drauf, oder er kann es nicht. Dann lass ihn doch bitte etwas anderes. Der Sport ist ja wie ein bunter Blumenstrauß. Irgendwann wird dir eine Gladiole, eine Rose gefallen, und lass ihn doch bitte das danach ausprobieren, also biete ihm ein Spektrum an Möglichkeiten an, und irgendwann wird das Talent, was genau zu deinem Kind passt, aufploppen, und dann machst du das Kind glücklich, weil er selber seine sportliche Aktivität gefunden hat. #00:24:04-7#

Birte: Sie haben gerade etwas gesagt, so ein Wort, das irgendwie verloren gegangen ist. Es muss Spaß machen, und ich erinnere mich an meine Kindheit. Ich habe auch, ich habe gebolzt. Wir hatten so einen großen Platz, da haben wir mit den Jungs und den Mädels, wir haben alle zusammen Fußball gespielt. Es war Spielen und nicht immer, Ich musste irgendwas beweisen, um irgendeine Liga nach oben zu kommen oder so. Es hat Spaß gemacht, und wir haben miteinander etwas gemacht, und das war vor allem der Spielreiz, der uns dahin getrieben hat, immer wieder nach den Hausaufgaben auf dem Fußballplatz zu gehen. Es geht, glaube ich, auch so ein bisschen verloren. #00:24:33-8#

Ingo Froböse: Ja, letztendlich ist das so. Wenn ich mir auch so die ganzen digitalen Medien anschaue, wie sie wiederum mit Sport umgehen, dann ist das ja immer ins Extreme hinein, und das heißt, auf der anderen Seite haben wir also einen Großteil der Bevölkerung, die haben wir verloren, weil Sport ihnen keine Freude gemacht hat. Auf der anderen Seite gibt es dann aber diesen großen Sporthype, der ins Extreme geht. Man läuft nur noch Marathons, man läuft 100 Kilometer Läufe, man läuft durch die Wüste, man macht einen Triathlon, alle müssen Triathlon heutzutage machen, und und und. Das heißt also, der Sport ist dann wieder zu einem Eventding verkommen. Aber wir haben keinen Mittelweg mehr, und dort spielt dann das Extrem. Ja, die Körperbildung, du musst das Sixpack so und so haben, du musst die Akrobatik so und so vorturnen können, wie auf Instagram oder auf YouTube, und das ist eben auch zu weit von den meisten Menschen entfernt. Heißt also, wir müssen wieder das große Ganze beim Sport betrachten, nicht die Extreme, das Nicht-Sporttreiben, das nur Wohlbefinden zu erreichen auf der Couch und auf der anderen Seite eben nicht den Hype der maximalen optimalen Leistungsfähigkeit, der Leistungsoptimierung, wie wir ja auch immer schon so schön hören. Nee, in der Mitte liegt doch letztendlich so ein bisschen das Salz in der Suppe, und ich sage Ihnen, ich laufe ja jeden Tag mit meiner Frau, ja meistens, und ich frage mich immer, ich höre sie kommen, in der Kompressionskleidung, mit nem Neonshirt, so kommen sie angerannt, und ich frage mich immer, natürlich mit dem neuesten Schuh, warum machen die das? Die überholen mich, die können dann aber gar nicht, normalerweise, weil sie in einem black hole of intensity unterwegs sind und sagen, wow bin ich heute wieder stark! Bin ich wieder großartig. Aber das hat mit der eigentlichen Empfindung des Wohlbefindens im Bereich durch den Sport beim Sport überhaupt nichts zu tun. Dass also, die meisten haben völlig falsche Vorbilder für sich selber im Sport und wissen auch gar nicht, wie es richtig geht. #00:26:24-3#

Birte: Ja, Vorbilder sind, Sie haben gerade gesagt das Extreme. Wir haben 2024 in diesem Jahr die olympischen Spiele in Paris. Ich weiß noch, ich hab einen tollen Geschichtslehrer, der uns noch beigebracht hat: Coubertin hat das Ganze mal in der Neuzeit wieder ins Leben gerufen. #00:26:39-3#

Ingo Froböse: 1896. #00:26:40-8#

Birte: Ja, damit junge Menschen jeglicher Couleur sich treffen, um sich miteinander zu messen. Was ich ganz besonders mich als Kind schon daran fasziniert hat, das ist wie bei den alten Griechen. In der Zeit hat immer eine Waffenruhe gegolten, also es durfte kein Krieg geführt werden, und man hat sich daran gehalten. Ich glaube, 2024 in Paris wird sich daran wahrscheinlich keiner halten, und die olympischen Spiele werden trotzdem stattfinden. Man hat so, das eigentliche so ein bisschen auch an diesen Großveranstaltungen verloren, zu verstehen und auch in einer Vorbildfunktion. #00:27:12-0#

Ingo Froböse: Ich bin Präsident des Boxclubs SC Colonia in Köln. Einer der größten Boxsportorganisationen Europas. Wir sind auch sehr erfolgreich. Aber: das Großartige daran ist nicht der Spitzensport, sondern, dass wir Kinder von der Straße holen mit Migration, und dort kämpfen dann, bei uns trainieren bei uns alle Menschen unterschiedlicher Couleur miteinander, die respektieren sich. Dort kämpfen auch bei uns boxen, auch untereinander, völlig selbstverständlich Ukraine gegen Russen, die sind auch total befreundet. Der Sport ist so ein wunderbares Feld von Inklusion, und das ist egal, wo die Menschen herkommen, wo sie hingehen, was sie zu Hause haben, was sie... es ist einfach inklusiv, und das ist mehr als integrativ. Und insofern eine Inklusion des Sports erleben wir gerade bei den Gemeinden, Kommunen und so, wunderbar, weil dort die Kinder einfach, die dort leben und wohnen, auch eine Heimat finden, wo sie einfach aufgenommen, warmherzig aufgenommen werden, in der Regel vom Sport, und dann gemeinsam eben mit ihrer gesamten sozialen Netzstruktur dort wieder eine Heimat gefunden haben. Und das ist wunderbar. Also, wir haben 600 bis 700 Kinder bei uns und Jugendliche im Boxclub. Und das ist die eigentliche wunderbare Sicht darauf, weil Boxen ist eine Sportart, die eben viele anspricht, gerade im Jugendalter, gerade im Kindesalter, weil es ist eben ja so schön, eben zu sehen, dass gekämpft wird, ohne dass da wirklich gekämpft wird. Es wird einfach mit Respekt, Toleranz, Wertigkeit hochgehalten, einfach dort eben Sport getrieben. #00:28:43-5#

Birte: Ich glaube, es ist ganz wichtig, auch Kinder Kinder sein zu lassen und sich so zu begegnen. Ich weiß nicht, wie man das früher auf dem Spielplatz gemacht hat, man ist einfach dazu gegangen hat, gesagt, lasst uns spielen, ich will mitspielen, und es hat funktioniert. Immer dann finde ich, erst, wenn die Erwachsenen dazu kommen, mit den eigenen Ideen, Glaubenssätzen, wird es meistens immer dramatisch. Also, wir sollten einfach mal Kinder wieder Sport machen lassen, spielen lassen und uns mal ein bisschen raushalten. Eine Sache ist mir noch, weil Sie das gerade gesagt haben mit dem, da gehen Russen und Ukrainer mit zusammen. Ich finde es immer ganz schrecklich, wenn wir in die Vorbildfunktion gehen und sehen, dass wir internationale Wettkämpfe haben, und es gibt danach den Handschlag, und der wird verweigert, weil man eben wahrscheinlich unterschiedliche Ansichten ideologischer Art ist. Ich finde, sowas gehört zur Höchstbestrafung, und ich persönlich würde denjenigen, der den fairen Handschlag danach verweigert, rausnehmen aus diesem Sport und sagen, du hast im Sport nichts mehr zu suchen. Das ist gegen, also du zeigst welche Leistung du bringen kannst, aber es ist gegen das soziale Verhalten, was im Sport eben auch gezeigt werden sollte. Ich finde schade, dass man da nicht direkter ist. Konkreter ist. Meine persönliche Meinung. #00:29:43-1#

Ingo Froböse: Daran hat man eben erkannt, dass Sport seit vielen Jahren eben politisch missbraucht wird. Ja, seit Jahrzehnten, und das war ja damals im Kalten Krieg, Ost gegen West beispielsweise, und es ist ja sehr, sehr lange jetzt auch immer noch der Fall. Und genau wie Sie sagen, wenn Sportler eben die eigentliche Werte und Bedeutung des Sports verneinen und das sogar in der Öffentlichkeit und damit einem fairen Gegner einen fairen Kampf, einfach nicht auch Toleranz einfach zeigen, und dann gehört es auf jeden Fall exkludiert, das geht auf keinen Fall, dass man das akzeptiert, ist mindestens genauso schlimm wie Doping, wo wir ja auch immer sagen, das geht nicht, aber das geht auf jeden Fall auch nicht, weil wir auch hier die Werte des Sports negieren. #00:30:21-0#

Birte: Das ist es, das sind so viele Dinge, wo wir sagen, wie können wir es verändern? Also wie gehen wir miteinander um? Wir müssen noch langsam mal zum Ende kommen, ich glaube, wir können uns totreden zu dem Thema. Ich habe zum ersten Mal ganz bewusst in Deutschland, in Frankfurt, ein American-Football-Spiel gesehen, und was mich am allermeisten daran berührt hat, also ich war wirklich so berührt, weil ich das, glaube ich, jeden meiner Freunde erzählt habe, als die Nationalhymnen gesungen wurde, die amerikanische und die deutsche, hat das Stadion mitgesungen, und keiner hat gebuht und keiner hat gepfiffen. Das ist auch etwas, wo ich sage, wenn ihr euch auf die Fans, die Zuschauer, die große Masse, die ich immer so wichtig finde, wenn ihr wirklich im Sport etwas bewegen wollt, hört auf, euch so unsagbar unfair zu benehmen. Also das ist etwas für mich, dass ich auch Respekt vor der anderen Mannschaft habe, aus welchem Teil der Welt die auch immer kommen mag, da wirds auch schon mal anfangen. #00:31:08-7#

Ingo Froböse: Also, und das beginnt ja, wie sie schon sagen, in jedem kleinen Heimatverein. Auf jedem Aschenplatz ist ja leider genau das eben fern, ist gerade der Zuschauer und Zuschauerin überhaupt nicht gegeben, und deswegen finde ich es unsäglich, dass zum Beispiel im Fußball wir derartige Kämpfe fast erleben, weil das ja wirklich ein Skandal ist, und der DFB und die Vereine schauen einfach zu. Und wenn wir doch nochmal erleben, mit welchem Polizeiaufgebot jedes Bundesligaspiel gesichert werden muss, dann ist das doch ein skandalöses! Neben letztendlich der Fans, die sich Fans nennen, aber gar keine Fans des Sport sind, sondern nur Randale wollen, und das ist leider, wird das durch bestimmte Sportarten auch wirklich geprägt, auch immer noch unterstützt vielleicht sogar, oder mindestens geduldet, aber das halte ich genauso für gefährlich. #00:31:53-1#

Birte: Ja, schwierig zu ändern, weil das schon so integriert ist und schon so toleriert wird. #00:31:59-1#

Ingo Froböse: Ja. #00:31:59-3#

Birte: Aber wenn man mal wieder sagt, Sport hat Vorbildfunktion, irgendwann muss man mal anfangen, und indem man sich vielleicht als Masse, als Zuschauer auch verweigert und sagt, solange diese Aggression dort geduldet wird, geht man dort nicht mehr hin. Also, die Lösung schlechthin habe ich auch nicht, nur das Tolerieren, glaube ich, da muss man Empathie mit Kante zeigen, so sehr ich auch gern zum Fußball gehe, aber das finde ich einfach nur noch abstoßend und hat wirklich auch mit Sport nichts mehr zu tun. #00:32:23-3#

Ingo Froböse: Also genau, ich gehe auch seit 15 Jahren nicht mehr in Stadium. Genau aus diesem Grunde, weil ich kann dieses aggressive Verhalten auch wirklich nicht ertragen, und vor allen Dingen, auch wenn man noch in fremde Stadien geht. Da muss man auf seine eigene Sicherheit auch achten, die ja häufig gar nicht gegeben ist. Und solange das der Fall ist, ja verdrängt man die echten Sportfans aus den Stadien und überlässt es letztendlich dann den Lautschreiern oder den Hooligans, wie wir immer so sagen, wie wirs ja nennen. Das finde ich skandalös, weil der Sport, das wirklich, gerade der Fußball, gerade immer noch sehr, sehr stark akzeptiert. Das, finde ich, geht nicht! #00:32:53-6#

Birte: Zwei Fragen habe ich jetzt noch. Zum einen, es ist Anfang des Jahres für viele wieder. Jetzt in diesem Jahr beginnt der Sport. Jetzt muss ich die Kilos runter kriegen oder ich möchte irgendwas erreichen. Gibt es irgendetwas, wo sie sagen können, was motiviert wirklich dranzubleiben, um das durchzustehen? #00:33:08-5#

Ingo Froböse: Also erst mal der Blick in den Spiegel, glaube ich, der hilft schon mal. #00:33:12-0#

Birte: Danke, ja. #00:33:13-9#

Ingo Froböse: Ja, weil der zeigt ja die ganzen Problematiken, nicht die Waage. Der Blick in den Spiegel, der hilft total, um zu sagen: Okay, hier, so versuchst du, und ich würde auch eine ganz einfache Strategie anwenden. Wir starten ja, wie Sie sagen, ins neue Jahr immer sehr euphorisch. Ich will, ich mache, ich tue aber so, nach sechs bis acht Wochen kommt bei allen das Motivationstief. Immer. Und dementsprechend würde ich immer mir kleine Ziele setzen, die ich in sechs bis acht Wochen erreichen kann. Zum Beispiel, ich möchte zwei Kilo abnehmen, ich möchte wieder die Treppe gehen können bis in die vierte Etage, ich möchte zwei Kilometer am Stück laufen, ganz kleine Ziele. Und nach sechs Wochen belohne ich mich. Ich kauf mirn T-Shirt, ich gehe schön essen, ich mache einen romantischen Abend, ein romantisches Wochenende, und dann setze ich mir das nächste Ziel wieder, und so hoppel ich quasi von Motivationsloch zur Motivationsloch, und nach sechs Monaten bin ich in einem Rhythmus drin, der dann sagt: Okay, jetzt brauche ich mich nicht mehr zu belohnen, denn Belohnung ist jetzt das Tun. #00:34:10-0#

Birte: Ich glaube, das gibt auch so einen Rhythmus. Wenn man etwas regelmäßig tut, dann akzeptiert der Körper das glaube ich auch und sagt, ich will die Bewegung haben. #00:34:16-8#

Ingo Froböse: 67 mal, sagt die Wissenschaft, Frau Karalus, leider. 67 mal muss man ungefähr etwas getan haben, bei dem einen etwas früher, bei dem anderen etwas später, bis es zu einem Ritual wird und dementsprechend dann das Wohlbefinden ist, auch sagt: Okay, mach es doch mal wieder, es tut dir gut. #00:34:32-1#

Birte: Okay, haben sie eigentlich ein Vorbild oder ein Vorbild gehabt? #00:34:36-4#

Ingo Froböse: Im Sport meinen Sie jetzt? #00:34:39-2#

Birte: Mhm. #00:34:39-5#

Ingo Froböse: Also, ich bin ein großer Bewunderer von Muhammad Ali, weil der Boxer hat mir wirklich sehr, sehr imponiert. Das war also etwas, wo ich gesagt habe, ja, und ich war ein großer Fan von Armin Hary, natürlich vom 100 Meter Olympiasieger, 1960 in Rom. Der war so einer meiner Vorbilder, weil mein Papa war damals 1960, auch bei olympischen Spielen als Zuschauer dabei. Ich war dann drei Jahre, und er hat mir immer von dem erzählt, und seitdem weiß ich, Armin Hary war für mich ein Vorbild. #00:35:05-0#

Birte: Also, falls irgendein Sportler auch mal zuhören sollte bei diesem Podcast, man muss sich einfach wirklich mal klar werden, welche Vorbildfunktion man hat, was man verändern kann. Mein großes Vorbild ist Roger Federer, den ich persönlich mehrfach kennenlernen durfte. Also das ist, wo ich wirklich sage, ein Hochleistungssportler, der immer freundlich ist, immer höflich ist, super fair, respektvoll. So wünsche ich mir wirklich Leistungssport auf diesem Niveau, wo so viele Menschen zuschauen und wirklich etwas lernen können. #00:35:31-4#

Ingo Froböse: Also, Sport würde, wenn sie mehr in die Kultur unserer Gesellschaft wieder hineinfühlen würde, die Gesellschaft auch verändern, hin zu einer gesünderen, aktiveren, aber auch lebensfreudigeren Gesellschaft, vor allen Dingen, die viel mehr harmonisch funktionieren würde, als wir sie aktuell haben. #00:35:47-3#

Birte: Weil wir es eben erlernen und hoffentlich von Kindesbeinen an. Schöner hätte dieser Podcast gar nicht enden können. Ich bedanke mich von Herzen, und ich freue mich, wenn wir uns bald mal wieder persönlich treffen. Dankeschön! #00:35:57-7#

Ingo Froböse: Ich freue mich auch. Danke für das tolle Gespräch. #00:35:59-6#

Birte: Danke! #00:36:00-0#