Dr. Asfwa-Wossen Asserate - Right or wrong, it's my country
Shownotes
In der neunten Folge ihres Podcasts „Wie Gehen Wir Eigentlich Miteinander Um?“ spricht Birte Karalus mit dem äthiopischen Prinzen und Historiker Dr. Asfa-Wossen Asserate über seine einzigartige Perspektive auf unser Land.
Dr. Asserate, seit 55 Jahren in Deutschland und feinfühliger Kenner unserer Gesellschaft, teilt seinen einzigartigen Einblick in die deutsche Seele, Kultur und die subtilen Nuancen des deutschen Innenlebens. Angefangen bei seiner Erziehung durch eine deutsche Nanny, reflektiert über sein Leben als äthiopischer Prinz, seine Beziehung zu Deutschland und seinen akademischen und beruflichen Erfahrungen hier. Mit dem Blick eines faszinierten Historikers,sprechen er und Birte Karalus über Zivilcourage, Tugenden und die deutsche Identität.
Dieses Gespräch ist nicht nur eine Reise durch die deutsche Befindlichkeit, sondern auch eine Erinnerung an die Werte, die uns verbinden, und die Bedeutung von Respekt, Toleranz und Verständigung in unserer globalisierten Welt.
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Birte: So häufig kommt man ja nun auch nicht mit einem Prinzen ins Gespräch, schon gar nicht, wenn dieser einer ist, der nicht qua Adoption zu seinem Titel gekommen ist. Dr. Asfwa-Wossen Asserate ist äthiopischer Prinz und Großneffe des letzten Kaisers von Äthiopien, Haile Selassie. Er ist ein außergewöhnlicher Kenner unseres Landes, und ich freue mich mit ihm auf einen Spaziergang durch unser so spezielles deutsches Seelenleben und bin gespannt zu hören, was er glaubt, warum wir so miteinander umgehen, wie wir es gerade tun, und wie es besser gehen könnte.
Birte: Herr Doktor Asserate, kennengelernt haben wir uns vor einer kleinen Ewigkeit. Ich erinnere mich in einer wunderbaren Sendung, die ich moderieren durfte. Da ging es über besondere Anlässe bei Royals, und wir haben, glaube ich, über das Geberre (?) geredet. Ist das richtig?
Prinz Asserate: Ja, Ja.
Birte: Wollen sie uns mal ganz kurz erzählen, was das ist?
Prinz Asserate: Das ist ein äthiopisches Festmahl, was von Fürsten und vom Kaiser zu besonderen Anlässen gegeben wird. Und sie müssen sich vorstellen, wenn ich eine Festmahl sage, dann heißt es nicht so im europäischen Sinne, dass da 30, 40 Mann oder 50 Personen an einem Tisch sitzen, sondern hier geht es um Hunderte und manchmal Tausende. Und zu den christlichen festen ist es ein Zeichen des der Verbrüderung aller Äthiopier, die an einem Tisch sitzen. Und wissen sie, im mittelalterlichen Europa gab es dieses schöne Wort Brot brechen, und wussten sie, dass, wenn sie mit jemanden Brot gebrochen haben, konnten sie ihn nicht zum Duell auffordern.
Birte: Das wusste ich nicht, wie wundervoll.
Prinz Asserate: Es ging nicht.
Birte: Dieses miteinander sitzen und gemeinsam essen ist auch etwas, was uns auch ein bisschen verlorengegangen ist, miteinander, aber dazu kommen wir später mehr. Ich möchte ein bisschen sie bitten, über sich zu erzählen, weil sie so eine ganz besondere Lebensgeschichte haben. Sie kommen... Sie sind äthiopischer Prinz und haben von Anfang an schon einen kleinen Bezug zu Deutschland gehabt.
Prinz Asserate: Absolut.
Birte: Wie kam das?
Prinz Asserate: Es ist ganz einfach. Ich habe mein Buch geschrieben. Es ist so, als ob das Deutsche mir in die Wiege gelegt worden wäre. Das sage ich deshalb, weil seit meinem vierten Lebensjahr ich von einer deutschen Nanny betreut wurde. Das war die Tante Luise, eine Deutsche, die mit einem Österreicher verheiratet war und die der Mann war, Bauunternehmer in Äthiopien, und sie war da. Dann hat man sie zu uns geholt, weil die Kindergärtnerin gelernt hat, und sie wurde meine erste, meine zweite Nanny. Zu meiner ersten komme ich später zu sprechen, und ihr hab ich alles zu verdanken, meine erste Deutsche Faible und meine Liebe zur deutschen Küche.
Birte: Das ist ganz besonders. Ich habe gelesen, besonders Vanillekipferl.
Prinz Asserate: Absolut (lacht)
Birte: Das ist etwas, was uns auch sehr verbindet. Sie haben.. sie sind mit der deutschen Sprache in Kontakt gekommen, mit der deutschen Kultur, mit den Wesen, mit Sprache, Essen, all das, was uns auch vor allem natürlich auszeichnet. Aber nichtsdestotrotz, wieso kommt dann ein topischer Prinz auf den Gedanken oder wird vielleicht von den Eltern geschickt, 1968 nach Deutschland ?
Prinz Asserate: Ja, weil ich seit dem siebten Lebensjahr die Deutsche Schule in Addis Abeba ging, durch natürlich den Einfluss von Tante Luise, dem ich auf meine meine...
Birte: Ist das nicht toll? Ein Kindermädchen.
Prinz Asserate: Ich habe immer mir die Frage gestellt, wieso meine Eltern mich ausgerechnet in die Deutsche Schule geschickt haben, denn die beide haben eine sehr englischen Background. Ich war, und ich habe ihn mein Vater einmal gefragt, und dann hat er mir gesag: Weil wir, sowohl deine Mutter als auch ich wollte, dass du endlich Diziplin lernst..
Birte: Unsere deutsche Tugend (lacht)
Prinz Asserate: absolut, unter den größte deutsche Tugenden, darfst du die Disziplin lernen!
Birte: Und meinen sie, es hat funktioniert?
Prinz Asserate: Ich hoffe sehr. Und ich meine, ich war eine der ersten äthiopischen Schülern dort, und ich wurde einer der ersten äthiopischen Schüler, die auch das Deutsche Abitur dort gemacht hat.
Birte: 1968 sind sie nach Deutschland gekommen. Da war ich gerade mal auf der Welt. Es war ein anderes Deutschland, es war, es waren die Studentenunruhen.
Prinz Asserate: Die erst revolutionäre deutsche, ja!
Birte: Das muss doch ein Kulturschock sonders gleichen gewesen!
Prinz Asserate: Unglaublich! Unglaublich, und ich sage ihnen ganz offen, weniger die Leute von der APO haben mich...waren ein Kulturschock für mich, sondern folgende Begebenheit: nach zwei, drei Monaten in Tübingen. Ich bin die Universität Tübingen gegangen, hatte ich meine ersten Freunde, und wir beschlossen, an einem Wochenende ins benachbarte Elsass zu fahren. Wir waren zu fünft, vier kommen und ich und wir gingen in Straßburg in einer Studentenkneipe. Engländer, Franzosen, Australier waren da, und wir haben einen wunderschönen Abend verbracht, und kurz bevor wir gingen, haben die anderen gefragt, übrigens, wo kommt ihr eigentlich her? Und ich sehr stolz sagte, ich bin Äthiopier. Meine vier deutschen Kommilitonen, als ob sie das vorher miteinander abgemacht hatten, haben alle gesagt, wir sind Österreicher. Ich war so kaputt. Das war, dass ein Mensch sich nicht zu dem Land, in dem er geboren ist, wurde, identifiziert. Als wir draußen waren, habe ich sie gefragt, sag mal, gibt es etwas, was ich nicht weiß? Sie haben sich totgelacht, hab gesagt: Glaubst du, ich komme nach Frankreich und sage, dass ich Deutscher bin.
Birte: Ich bin, ich finde es schockierend, das heute noch zu hören. Ich bin, ich erinnere mich gerade, als ich 15 Jahre, war, ich das erste Mal in London, und wir wurden auch damit konfrontiert. Wann war das? Mein Gott in den Achtzigern, oder, ich muss jetzt richtig nachrechnen, aberrelativ früh, und wir wurden auch auf das Übelste beschimpft, als wir, als klar war, dass wir Deutsche waren. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Wir sollten das aber nicht vergessen. Zu diesen, zu unserer Seelenlage kommen wir gleich noch. Ich möchte noch ein bisschen erzählen. Sie kamen 68 nach Deutschland. Sie haben studiert in Tübingen, ich glaube Jura, Volkswirtschaft und Geschichte, haben sich dann für die Geschichte entschieden und sind nach Frankfurt gegangen, haben dort promoviert.
Prinz Asserate: So ist es sehr, sehr richtig, zwischendurch war ich auch in Cambridge, aber darum, warum ich? Ich wollte wirklich Jurist werden, aber damals war ich ja noch Äthiopier, und ich könnte nur das erste Staatsexamen machen, denn um das zweite Staatsexamen zu machen, brauchen sie ja die Zeit als Referendar, und damals waren sie. Als Referendar waren sie Beamte auf Widerruf, und das konnte nur ein deutscher Staatsbürger.
Birte: Also, ich bin sehr froh, dass sie Geschichte studiert haben. Sonst hat wir uns wahrscheinlich gar nicht kennengelernt, und es wären wahrscheinlich auch nicht diese wunderbaren Bücher entstanden. Sie sind wirklich ein Kenner unseres Landes. Sie sind ja selbst mittlerweile Deutscher, sind seit 55 Jahren jetzt hier. Ich glaube, wenn ich die Geschichte weitererzählen darf, unfreiwillig, denn sie kamen hierher zum Studieren und durften nicht mehr zurück. 1974 gab es die Revolution in ihrem Land. Ihr Vater wurde getötet, wurde ermordet, ihre Familie wurde.
Prinz Asserate: In Sippenhaft gesteckt.
Birte: Ja, über eine lange Zeit.
Prinz Asserate: Ja,16 Jahre!
Birte: 16 Jahre. Sie kamen also aus einer für mich privilegierten Welt als Prinz in einem Land und waren von jetzt auf gleich, ohne dass sie nur irgendwie Einfluss haben konnten, staatenlos.
Prinz Asserate: So ist es.
Birte: Ich glaube, sie können unsere Land heute auch aus dieser Sicht, aus dieser Perspektive ganz besonders gut verstehen, was es heißt, wenn man Asyl bekommt, wenn man ein politisches Asyl beantragen kann und bleiben kann.
Prinz Asserate: Wissen sie? Weil mir war es ja noch schlimmer. Ich bin der einzige Äthiopier, der ausgebürgert wurde. Es ist nicht so, dass ich im Grunde genommen kein Asyl 1974 gefragt habe, den meine Sache war also absolut klar, und ich glaube ich, es gab niemanden, der so schnell seinen Asylantrag genehmigt... weil ich offiziell ausgebürgert wurde. Sowas geschieht kaum mehr. Ja.
Birte: Mhm.
Prinz Asserate: Und in die Äthiopien sogar bin ich der einzige, und da bekam ich den sogenannten Reiseausweis, hieß es, womit sie dann wenigstens die durften, dann in Deutschland leben, arbeiten und auch reisen in einigen europäischen Ländern ohne Visum. Aber ich kann ihnen nur sagen, sie können in ihrem Leben alles werden, was sie wollen. Werden sie nur eines nicht: werden sie nie staatenlos.
Birte: War das denn ein besonderer Moment, als sie den deutschen Pass bekommen haben?
Prinz Asserate: Es war einmalig. Nur müssen sie in anderen Ländern, müssen sie wunderbare Sätze von sich sagen, "Ich gelobe treue diesem Land, ich schwöre auf die Fahren, und ich werde ewig treu sein." Sehen sie Amerika, wenn sie dann so Amerikaner.. von wegen. Ich habe das per Post bekommen.
Birte: Ich habe was schönes gelesen. Der Soziologe Georg Simmel sagt, der beste Kenner eines Landes und seiner Gesellschaft ist der Fremde, der bleibt. Und ich finde, das ist ja ganz hervor und trifft so sehr auf sie. Ich glaube, es kennt kaum einer uns, unsere Geschichte, unsere Kultur, nur unser Wesen so sehr wie sie, weil sie von außen drauf schauen können und seit 55 Jahren eben auch von drinnen. Wollen wir doch mal gucken! Ihr Lieblingsthema sind die Deutschen. Ungewöhnlich, aber ich finde es wunderbar. Jetzt haben sie, ich habe in überlegt, ob ich sie unterbreche, ob ich das Thema darein nehme, aber ich finde, es passt jetzt ganz gut. Sie haben das erzählt, wie wir mit unserem Land sind. Unsere Seleenlage ist so komplex. Wenn man irgendwo im Ausland damals war, sagt man, dass man Deutscher ist. Es hat sich geändert jetzt, ich bin auch viel, viel unterwegs, aber am Anfang muss ich sagen, es war mal: "Ach, da sitzt die Deutsche." Das war immer schwierig. Wenn ich heute irgendwo dazukomme in Verhandlungen oder so sagt man: "Ah, haben wir denn eine Deutsche? Weil wir brauchen die Tugenden, wir brauchen jemand, der effektiv arbeitet, der ordentlich ist, der darauf achtet." sage ich, ich merke ein anderes Gefühl. Aber sie wissen, das kann sich ja immer schnell ändern. In ihrer Bücher habe ich den Satz gelesen "Right or wrong, its my country". Das kenne ich aus England, das kenne ich vor, allem aus Amerika: wir machen das nie!
Prinz Asserate: Und genau das ist das Problem, und das ist, wenn ich von der Seelenlage deutsch der deutschen spreche. Das ist etwas, was auch nicht sehr neu ist, wenn sie mich fragen, ist, es hat es mit der deutschen Identität schon seit 1806 zu tun. Seitdem das heilige römische Reich deutscher Nation unterging. Durch Napoleon hat die Deutschen diese Sehnsucht gehabt. Nimm sie Fallersleben, den Mann, der die Deutsche national Hemmnis geschrieben hat! Wenn dieser Mann schreibt, Deutschland, Deutschland über alles, meint er nicht, wir sollen die Welt erobern. Das ist absolut falsch. Nein, was er meint, ist, wir haben diese (?)Fürsten satt. Wir wollen deutsches, einig deutsches Vaterland, das alte Reich wieder haben.
Prinz Asserate: Dann kamen die großen zwei Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts. Man wird als Hunde beschrieben, vor dem ersten Weltkrieg Jahr und während des ersten Weltkrieges. Ja, und dann kam diese Katastrophe des zweiten Weltkrieges, und die Deutsche Seele und die Deutsche Identität war vollkommen drunter. Ja? Sodass sie heute auch, weil die Deutschen in meinen Augen die Einzigen waren in Europa, die nach dieser, nach dem Holocaust, sich ihrer Geschichte gestellt haben. Ich kenne kein zweites Land. Und wenn man dann sieht, wie sehr sich doch die Deutschen, vor allem nach den 60er Jahren. Man kann über die APO sagen, was man will. Aber Vater, was hast du in des Krieges gemacht? Das war diese Generation, die sich wirklich die großen Fragen gestellt haben, und Deutschland ist auch gestellt hat. U nd man musste wirklich sehr dankbar sein, dass man dieses tun könnte. Natürlich ist es ein ständiger Prozess, und das muss auch weiterhin so kommen. Aber leider Gottes hat die Deutsche Identität, wenn sie es heute sehen. Sie brauchen sich ja nur, um zu hören, was wir heute an politischen Problemen haben. Die Deutsche Identität ist noch dahin. Vielleicht erzähle, sage ich das am besten, indem ich irgendein Witz, einen neuen Witz über die Deutschen erzähle. Ein deutsches Ehepaar kommt nach London, geht gemütlich essen, findet einen wunderbaren Kellner, der sie sehr, sehr gut bedient. Am Ende des Abends kommt der Kellner und sagt, meine Herrschaften, heute abend waren sie meine besten Gäste. Deshalb wollte ich fragen, woher kommen sie, Mann und Frau, wie aus der Pistole geschossen, sagen, wir sind Europäer. Der Kellner dreht sich um unsere. Sie kommen aus Deutschland.
Birte: Ja, ich verstehe.
Prinz Asserate: Wissen sie, es ist so, dass die Deutschen gute Europäer sind, ein Vorbild in Europa sind. Es ist wunderbar. Aber wenn "Ich bin Europäer" nur dafür dient, dass man nicht sagen braucht, "Ich bin Deutscher", dann ist das Ganze artifiziell und taugt nichts.
Birte: Ja, kann ich sehr nachvollziehen.
Prinz Asserate: Wenn wir von gemeinsamen europäischen Heim reden, dann muss es eine duale Identität geben, so wie das die Gründung, wie das die Gründungsväter der EU, Adenauer und De Gaulle mochten. Ein Europa der Vaterländer. Ich bin Deutscher und Europäer.
Birte: Mhm.
Prinz Asserate: Dass dieses "Ich bin Europäer" würden sie weder von einem Franzosen noch von einem Italiener jemals hören.
Birte: Ich glaube, dass das sehr schwierig ist. Ich bin ja in diesem Land auch groß geworden, auch in diesen Zeiten, und wir hatten ein ganz kurzes Vorgespräch, und ich habe ihn auch schon gesagt. Es gibt niemanden, der uns da durchführt, der es uns ermöglicht, mal in dieses Gefühl reinzugehen, zu sagen, was bedeutet das dann auch im Guten, was das ist, denn das, was uns eint, und nicht immer, was trennt uns, was ist schlecht? Wir sind immer so... unsere Wurzeln sind immer so, wir wollen das gar nicht. Es zerreißt uns zu sagen, ach, lieber nicht, und ich finde das schwierig, und ich sehe da momentan auch nicht unbedingt jemanden, der uns da hinführen kann.
Prinz Asserate: Wissen sie, wenn sie die jetzige politische Lage sehen, wie sie sehen, dass es überall rechtsradikale Gruppierungen gibt? Woher kommt das? Weil die Parteien der Mitte in den letzten Jahren sehr wichtige Worte aus ihrem politischen Kanon entfernt haben. Diese Worte sind Heimat, ist Patriotismus. Ja? Entschuldigen sie, wir müssen auch unseren deutschen mitwirken, das heißt, die deutschen Politiker den Unterschied zwischen Patriotismus und Nationalismus mal erklären. Patriotismus ist meiner Ansicht nach ein Menschenrecht, weil es die Liebe zum Vaterland ist. Das macht, das hat jeder, und das sehen sie in allen anderen Länder. Was wir mit allen Mitteln bekämpfen müssen, ist der Nationalismus, weil das der Hass anderer ist, und diesen Unterschied wissen nur die wenigsten.
Birte: Liebe Herr Dr. Asserate - Das setzt Bildung voraus, und das möchte ich mal so stehen lassen. Unser Land hat sich rasant verändert, gerade in der letzten Zeit.
Prinz Asserate: Und ich muss sagen, Deutschland ist ein so diversifiziertes Land, und das tut auch der deutschen Kultur sehr gut.
Birte: Das, was uns ausmacht, was dann doch in unserer DNA ist: diese Deutsche Kultur und Tradition. Sie haben ganz im besonderen die deutschen Tugenden unter die Lupe genommen. Ganz kurz, was ist eine Tugend?
Prinz Asserate: Eine Tugend ist das, was die Menschen zu Menschen macht, was für sie die Voraussetzung ist, dass ich sie respektieren kann und was mich beeinflusst und was mich als Mensch aus, wissen sie.
Birte: Ich schaue zu den Tugenden, die mir in ihrem Buch aufgefallen sind, die mir natürlich sehr geläufig sind. Ich komme in preußischen Elternhaus, glauben sie mir, ich habe das wirklich komplett übernommen. Das erste Pünktlichkeit, Ordnung, Fleiß, und dann kam ich noch auf Aufmerksamkeit und kam auf meine..in meinem Zeugnis gab, dass das noch die Kopfnoten, wie man sich betragen hat in der Schule. Ich bin immer so ein bisschen durchgeflutscht, ging aber ganz gut, die haben wir ja auch abgeschafft, und meine Frage ist, könnte es sein - Ich habe das nicht verfolgt, warum man die Kopfnoten aus dem Zeugnis der Kinder herausgenommen hat. Ich hatte sie noch, mir haben sie definitiv nicht geschadet. Ich fand es immer ein Wettbewerb, mal gucken, ob man da eine gute Note kriegt. Für mich sind das die Grundlagen von Respekt. Und nicht, dass ich Kinder gängele, sondern einfach, dass du zu Hause lernst, in der in der kleinsten Zelle lernst. Wie gehen wir miteinander um? Ich weiß nicht. Können sie nachvollziehen, warum man das herausgenommen, warum man das verändert wird?
Prinz Asserate: Mir vollkommen, aber das wissen sie. Jetzt kommen wir auf die Gegenseite der 68er. Das ist die Zeit, wo man angefangen hat, daran zu nagen. Und, wie ich gesagt habe, die 68er haben auch viel gutes und neues gebracht, aber in dieser Hinsicht auch das waren die Nachteile. Man hat aufgehört, Traditionen zu pflegen, alles von gestern war schlecht, und alles Neue war wieder gut. Ich selbst gebe offen zu, hab ein Wort gelernt von den 68er, die mein Leben sehr, sehr ausgemacht haben. Es ist ein deutsches Wort, was in den 2000 afrikanischen Sprachen nicht gibt, und dieses Wort heißt "Gegner". Wissen sie, der Afrikaner kennt nur Freund und Feind dazwischen ist es nicht. Deshalb vielleicht auch unsere Schwierigkeit, überhaupt Demokratie mit Demokratie umzugehen, was mich besonders beeindruckt hat und was ich immer wieder als als Beispiel, wenn ich dieses Wort Gegnerschaft höre, diese politische Gegnerschaft, was die Basis für eine demokratisches Wirken ist, denke ich an diese Szene aus dem Jahre 1972, gibt es viele Bilder. Es ist abends, gegen 22 Uhr, wurde dieses Bild auch aufgenommen im Bundestagsrestaurant. Auf diesem Bild sehen sie zwei Leute, die ein Bier trinken. Das ist für mich die Basis. Wenn ich ihnen dann den Namen sage. Der eine war Willy Brand und der andere war Rainer Barzel. Das und das Foto wurde aufgenommen am Tag, wo am Bormittag Rainer Barzel den Antrag, den Misstrauensantrag gegen die Regierung von Willy Brand gestellt hat. Tagsüber haben sie sich bis zur Kehle gezankt, und abends sitzen sie in der Bar und trinken, ein Bier zusammen.
Birte: In der Sache hart in der Person weich.
Prinz Asserate: Das ist, das ist die Basis der Demokratie. Wenn ich das ein einziges Mal in meinem Leben, in meinem eigenen Land sehen könnte, das nach der verlorenen Wahl der Verlierer geht und sagt, sie sind jetzt auch mein Präsident, ich möchte mit ihnen ein Bier trinken, dann bin ich der glücklichste Mensch auf Gottes Erden.
Birte: Das hat etwas mit Größe zu tun. Ja, aber diese Pünktlichkeit, Ordnung, fleiß, Aufmerksamkeit, Tugenden, das ist alles. Sehr viele, sagen wir selbstverständlich, aber da habe ich dann doch gestockt. Sie führen dann auf unter anderem zwei weitere Tugenden der deutschen Anmut und Humor.
Prinz Asserate: Ja. Was man den Deutschen immer wieder absagt...ich meine die Engländer. Wenn sie einem Engländer sagen, dass die deutschen Humor halten, würde er sie auslachen. Auslachen, warum? Weil er einen Loriot nicht kennt, wissen sie nicht. Und wenn das alles nicht verstehe nur alle anderen großen deutschen Humoristen, die wir in der letzten Zeit hatten.
Birte: Wie schätzen sie denn? Das ist ja keine Tugend, eine Antitugend der "German Angst" ein.
Prinz Asserate: Das ist etwas, was leider Gottes Deutschland der Welt sozusagen gegeben hat und was man durchaus mit Deutschland assoziiert, und manchmal sogar zu Recht. Ich frage mich immer, warum eigentlich wir so ängstlich geworden sind. Es kann durchaus der Fall sein wegen der Katastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts. Das mag der Fall sein, dass die Deutschen innerhalb einer Generation zweimal so wahnsinnige Katastrophen erlebt haben, aber das haben auch die Engländer und die und die Franzosen gehabt, aber nicht in diesem Maße vielleicht wie Deutschland. Vielleicht deshalb sind sie so ängstlich in allem. Es fehlt ihnen die Courage, die Zukunft mit mit mit Wohlwollen und mit, mit Zuversicht in die Zukunft manchmal zu schauen.
Birte: Kommen wir von den Tugenden zu den Manieren, und jetzt werden viele sagen, ach du meine Güte, das ist doch überholt! Also das geht doch gar nicht! Mit Manieren werden die meisten wahrscheinlich verbinden, wie man sich am Tisch benimmt, ob man der Dame den Vortritt lässt, was ich nach wie vor toll finde, die Tür aufhält, etc. pp. Auch da bin ich mit ihnen eins, ich bin auch so erzogen. Ich finde es so schade, dass man da so ahnungslos rangeht und sagt, das entspricht nicht mehr dem Zeitgeist. Das wollen wir nicht! Oder am besten ist noch, lasst uns doch alle gleich behandeln! Ja, gleich gut, aber nicht gleich schlecht.
Prinz Asserate: So ist das! Und wissen sie. Viele Leute fragen mich: woran erkennen sie einen manierlichen Menschen? Sagen ich: Indem sie mit ihm Essen gehen, und ich meine nicht, ob er mit Gabel und Messer umgehen kann. Nein, gehen sie mit ihm in ein Restaurant und sehen sie, wie er den Kellner behandelt. Das ist das! Das sind die Maniereren.
Birte: Ja, also, das sind eigentlich Regeln, wie wir besser miteinander umgehen. Ist da...
Prinz Asserate: Nur! Es ist nichts anderes als eine Haltung sich selbst gegenüber und anderen gegenüber, wenn man das in einem Satz bring - es ist Emanuel Kant: Tut nichts anderen, was du dir selber nicht antun möchtest.
Birte: Also, ich liebe das. Ich finde das ganz großartig. Ich habe an der Universität eine Arbeit geschrieben über den Freiherren von Knigge, und mir ist so bewusst geworden, wie man diesen Mann so unsagbar ungerecht gegenüber geworden ist. Der hat niemals über Tisch, Messer und Gabel, Legesystemen gesprochen.
Prinz Asserate: Er hat das erste soziologische Buch deutsche Sprache geschrieben, muss ich ihnen wirklich sagen, ja? Und dass dieser Mann, was viele Leute auch nicht wissen, ist eines der größten Kämpfer für die Deutsche Demokratie. Der Fackelträger Verlag hat neulich vor kurzem ein zwölf bändiges Werk von Knigge herausgegeben, über Staatswesen.
Birte: Ja, und Umgang mit Frauen, auch das damals schon, dann war das 1799, ich weiß es gar nicht, also vor einer ganz, ganz langen Zeit, also immer mal wieder. Also, Bildung ist der Weg.
Prinz Asserate: Absolut!
Birte: Sich erst mal wirklich wissen anschaffen und dann urteilen und mal gucken, ob man nicht gerade in den Dingen, die man so rigoros schnell ablehnt, nicht doch einen Weg findet, der ein was besonderes mitgibt. Was den deutschen noch vorgeworfen wird, dass wir ein unfreundliches Land sind. Wie erleben sie uns denn? Sind wir unfreundlich?
Prinz Asserate: Es ist nicht unfreundlich, sondern auch. Entschuldigen sie, dass ich immer wieder nach 68 kam. Schauen sie, vor dem zweiten Welt war der Deutsche Kellner ein Beispiel für Kellner überhaupt. Wenn sie.. jeder Hotelier sagte: "Ich muss zusehen, dass meine Keller so sind wie ein deutscher Kellner, das war ein Begriff." Sprechen sie heute mit dem deutschen Hotel und Gaststättenverband, die sagen ihnen ins Gesicht, obwohl sie deren Interessen vertreten, ihnen ins Gesicht: "Nene, wir sind schon mit unseren Italienern und Pakistanis, und die andern..sind wir sehr zufrieden. Die Deutschen lachen nicht, es macht ihnen nicht mehr Spaß, et cetera. Wissen sie, woher kommt das? Weil irgendwann der Spruch in den 60er-Jahren auftrat: "Ein Deutscher dient nicht."
Birte: Ja, was ein Plätzchen!
Prinz Asserate: Wissen sie und und und das ist es. Und früher gab es Deutsche Könige, die gesagt haben, ich bin der erste Diener meines Volkes.
Birte: Es ist im Spruch der Engländer bei der Königin, bei der Münze "Ich dien".
Prinz Asserate: Absolut!
Birte: Also, ich habe während meines Studiums war, ich als Hostess tätig, ich habe auf den Messen gearbeitet, und mich hat nichts fröhlicher gemacht, als wenn ich jemanden einen schönen Tag bereiten konnte durch so viele Kleinigkeiten, und ich glaube, da würde ich jetzt gerne hinkommen und wirklich mal eine Lanze brechen für gutes Benehmen. Es macht den Tag so viel leichter, es hebt die Stimmung, und ich glaube, wenn jemand durch positive Erlebnisse, Kleinigkeiten, die jeder geben kann, am Tag nach Hause kommt, zu seiner Familie und mit diesem positiven Gefühl Zuhause das weitergibt, haben wir eine ganz andere Stimmungslage. Aber wir schlagen uns ja allzu gerne den Kopf ein. Wir haben immer Vorfahrt, wir wissen es immer besser, wie sie sagen: Freundlichkeit wird oft mit Schwäche abgetan, unmöglich! Also, wir hätten von jetzt auf gleich mit diesen Kleinigkeiten eine Möglichkeit, unser aller Leben wirklich zu einem schöneren zu machen. Ja!
Prinz Asserate: Und ich hoffe sehr, dass bald der Satz, der Deutschland anklebt, dass Deutschland eine Dienstleistungswüste ist, dann auch mal aufhärt. Das führt dann zu anderen Schwierigigkeiten...
Birte: Schwierig. Ich schreibe gerade an einem Buch über Streit, über die Auseinandersetzung, weil ich die sehr wichtig finde. Sie haben 2020 einen Appell für freie Debattenräume erstritten, sagen, Streit und die Auseinandersetzung im positiven Sinne ist eine ganz wichtige. Und auch da finde ich, ich schreibe darüber und sage: Man kann nur freundlich streiten, indem man den anderen als einen Freund sieht, mit dem man auch mal heftig ins Gericht gehen kann, die Tür anlehnt, aber nie schließt. Was glauben sie denn? Wie kann das Gehen, wie kann man sich gut benehmen in Situationen, die extrem sind. Haben sie da ein Tipp?
Prinz Asserate: Ja, ganz schlicht, einfach in dem man - ich komme wieder auf den Gegner zurück, auf den Menschen, dass man in ihm nur den Gegner und nicht den Feind sieht, dass man eben nicht entmenschlicht. Ja, nur weil er eine andere Meinung vertritt wie ich, ist er nicht mein Feind. Er ist genauso ein Mensch mit Stärken und Schwächen, aber hat, und das ist ein demokratisches Recht, eine andere Meinung zu vertreten, in egal, was wir tun, lassen sie uns immer den Menschen in dem Gegenüber sehen und nicht irgendwie jemand, der der, der mich zur Raserei bringt, weil seine Meinung nicht mit meiner Meinung übereinstimmt.
Birte: Und das müssen wir lernen.
Prinz Asserate: Und das ist ein - das müssen wir wirklich lernen. Nennen sie das auch Christenliebe oder christliches Nächstenliebe, oder nennen sie es, wie sie wollen. Das gibt es in jeder Kultur, und es gibt keine Religion übrigens, die ihnen sagt, du sollst einen gegenüber töten.
Birte: Ja, das ist dann das extreme. das stimmt. Miteinander ins Gespräch zu kommen, zu verstehen, neugierig zu sein, offen. Dann kommt bei diesen Diskussionen ganz oft das Wort Toleranz, die Erduldung. Sind wir uns beide einig darin, dass wir das gar nicht so gut finden?
Prinz Asserate: Nein, nicht in vielen Fällen. Man braucht Toleranz, aber Toleranz bedeutet nicht Schwäche. Wir brauchen eine starke Toleranz. Die starke Toleranz liegt darin, dass man sich irgendwo einig ist. Zum Beispiel brauchen wir eine starke Toleranz, was die abrahamitischen Religionen angeht. Ja, dass man sagt: Ja, wir grenzen uns voneinander ab. Also es ist nicht ein Mischmasch von allem. Aber wir müssen auch wissen, dass, wenn wir auf Knien beten, beten wir drei Juden, Christen und Moslems, denselben Gott an, wissen sie? Das ist die große Toleranz. Das heißt also, ich toleriere dich, weil du einen anderen Weg zu dem gemeinsamen Gott hast. Nicht wahr? Du nennst ihn Allah, oder Jahwe, Ich nenne ihnen Gott? Ja, und unsere Wege zu eben durch unsere verschiedenen Kulturen mögen anders sein, aber unser Endpunkt, unser Endziel ist Gott, ja. Und dadurch haben wir, kann ich dich tolerieren, kann ich diesen Weg, den du gehst, auch tolerieren.
Birte: Auch da wieder: Das kann man gar nicht oft genug sagen, dass das die Gemeinsamkeit ist. Es gibt genügend, genügend Menschen, die immer nur darauf schauen, was uns spaltet und was uns trennt, und es kriegt leider einen starken Zulauf, was ich wirklich verurteile, was ich sehr, sehr schade finde!
Prinz Asserate: Absolut, das ist unser Problem. Wir würden das viel leichter haben, wenn wir dieses dieses Grundverständnis der abrahamitischen Religionen hätten. Ich komme..ich bin in der glücklichen Lage, weil ich aus einem Land komme, wo diese drei abrahamitischen Religionen ihren Ursprung hatten. Wir haben eines der ältesten Kirchen der Welt in Äthiopien. Das Christentum ist schon seit 330 Staatsreligion in Äthiopien. Wir haben jüdische Beziehungen, zu Zeiten Salomons durch die Königin von Saba, und die ersten Einwanderung aus Palästinenser ist 3000 Jahre alt. Und ich bin auch sehr stolz zu sagen, dass im Jahr 615 die ersten muslimischen Flüchtlinge nach Äthiopien gekommen ist und Äthiopien sie aufgenommen hat.
Birte: ...gehen gerade in diesen Tagen ganz besonders viele Menschen auf die Straße, um gegen rechts zu dem Demonstrieren, was für Deutschland ja schon eine Wahnsinnsaktion ist, dass man das hat. Gegen eine spezielle Politik, gegen Antisemitismus. Glauben wir, dass wir eine Mentalitätsveränderung in unserem Land tatsächlich haben?
Prinz Asserate: Ich glaube, Deutschland ist in einem, in einer Transition drinnen. Deutschland, ich muss immer wieder sagen, obwohl es natürlich immer wieder Ansätze, auch in den letzten 80 Jahren in Deutschland gegeben hat, nach rechts zu tendieren. Sehen sie die 60er Jahre mit der NPD und so weiter - hat sich das, war das kontrollierbar. Und der große Deutsche Politiker, Franz Joseph Strauß, dieser Satz, die er von sich gegeben hat: "Rechts von mir darf es keine politische Partei geben." Das hat Grenzen gegeben, und wie sie wissen, war es um die 4 Prozent maximal, was die Rechten in Deutschland ausgemacht haben. Der Grund meiner meiner Interpretation, warum nicht nur übrigens in Deutschland, sondern in allen europäischen Ländern einen Rechtsruck zurzeit zu sehen ist, liegt meiner Ansicht nach darin, dass die mittleren Parteien, die Parteien der Mitte die Worte, die ich vorhin genannt habe, ausgelassen haben, und sich und die Bevölkerung braucht das. Die ist noch nicht...wissen sie, es ist auch eine Frage der Globalisierung. Die Globalisierung hat viele Menschen, hat viele Menschen schach matt gemacht. Sie kommen nicht so schnell mit Globalisierung
Prinz Asserate: Digitalisierung auch.
Prinz Asserate: Alles! All diese Sachen. Und dann raubt man eben noch das letzte, sein Gefühl zum Vaterland, wissen sie. Und wenn man ihn, ich muss ihnen auch leider Gottes sagen, in 55 Jahren. Das allererste mal, wo ich einen deutschen Staatsbürger neben einer deutschen Fahne gesehen habe, war 2006!
Birte: Ja, und dann war das schon merkwürdig und wurde kritisiert. Ja, das!
Prinz Asserate: Vorher war das unmöglich. Und das sind solche Sachen, wo die Parteien, die mittleren Partei müssen, das in ihrem Kanon aufnehmen.
Birte: Ach, das wissen sie schon. Ich glaube, das ist immer so ein bisschen anbiedern, und man will immer wieder gewählt werden, und man hat Angst, Stellung zu beziehen und auch mal Empathie mit Kante zu zeigen. Ich glaube, das ist ganz wichtig, was, worum es heute geht. Ich komme zu dem letzten Punkt, den ich gerne mitnehmen würde. Den lese ich mal vor. Ich habe den bei ihnen abgeschrieben. Sie schreiben: "Ohne Zivilcourage kommt keine Gesellschaft aus, und erst recht keine Demokratie, die doch von der Gemeinsamkeit lebt. Ohne sie kann es gar kein dauerhaftes menschliches miteinander geben, denn sie ist die Tugend des aufrechten Ganges". Wie wundervoll. Also die Haltung des einzelnen und der Mut der Gesellschaft ist es das?
Prinz Asserate: Und wissen sie, da hab ich meine, meine großen Helden, das sind die Leute vom 20 Juni, wissen sie?
Prinz Asserate: Das Attentat auf Hitler?
Prinz Asserate: Absolut. Und was diese Leute vollbracht haben, und wenn der liebe Gott es nur so wollte und wenn sie erfolgreich gewesen wären, lassen wir mal alles andere. Allein wenn wir die deutschen Städte ansehen, wissen sie das, Frankfurt, Hamburg, Dresen das alles noch stehen würde. Die sind alle nach dem 20. Juli bombaridert woden.
Birte: Es kommt auf den einzelnen drauf an, weil er die Veränderung bringt. Ja.
Prinz Asserate: Es wäre gigantisch, was da rausgekommen wäre, wenn sie nur erfolgreich gewesen wären. Ich darf ihnen, ich bin, wie sie wissen, auch Corps-Student, und ich bin sehr stolz, dass mein Corps das erste war, das 1933 die Schotten dicht gemacht hat, weil wir unsere jüdischen Mitglieder da nicht rausschmeißen wollten, und ich bin sehr stolz, dass unter den Männern des 20.Juli auch ein Corps-Bruder von mir ist, und zwar der Ulrich von Hassel. Es gibt eine Anekdote von seinem SS-Mann, von dem Schergen, der ihn zum Plötzensee begleitet hatte. Er hat ihn so beeindruckt, dass er hin nach dem zweiten Weltkrieg so ein Faltblatt herausgegeben hat über die letzten Minuten von Ulrich von Hassel. Und ich sage ihnen, der sagte: "Ich fing an zu motzen und sagte: Na, hat sich das Ganze gelohnt?" Ein Mensch, der in fünf Minuten hingerichtet wird, sagt, er drehte sich um zu mir und sagte: "Mein Herr, ich kann wenigstens sagen, ich hab's versucht." Wissen sie nicht der Erfolg, sondern dass man Unrecht von vornherein bekämpft und nein sagt. Das ist das, was von uns verlangt wird.
Birte: Was macht sie in diesen Tagen optimistisch?
Prinz Asserate: Die Tatsache, was ich sehe, dass meine deutschen Mitbürger gewaltig dabei sind, diese zweite Demokratie in diesem Lande, diese zweite Republik, aufrecht zu erhalten, und ich bin davon überzeugt, dass sie das tun können.
Birte: Es war mal wieder eine so große Freude, sich mit ihnen zu unterhalten. Ich danke ihnen von Herzen. Vielen, vielen Dank für ihren Blick von innen und von außen.
Prinz Asserate: Danke ihnen sehr, lieber Frau Karalus.
Birte: Danke.